"Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste"
 "Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste"

Ostern in der Toscana - April 2016

Geheimplatz am Gardasee

RED-151 ONE (Fiat Ducato, Weinsberg-Ausbau-Cosmos) hat sein Gnadenbrot bekommen. 207 000 Kilometer klaglos absolviert und außer Verschleißteilen nichts benötigt: ich hoffe, er ist wieder in guten Händen? Die Entscheidung zur Trennung kommt überfallartig: RED-151 TWO steht im Ausstellungskeller eines Sinzinger (Ort bei Regensburg) WOMO-Händlers und bedeutet mir: „Nimm mich mit!“

 

Nach einer unruhigen Nacht ist alles klar und nach Bezahlung eines kleinen „Drauf-Geldes“ an den Händler für den Tausch starten wir als neues Team. Leicht verkürzt, auf vielfachen Wunsch meiner sporadischen Mitfahrerin (nur noch 5,41 Meter lang) aber ansonsten ziemlich gleichwertig gehen wir mit 27 Kilometern bisheriger Laufleistung an neue Aufgaben heran! Italien, als „zweite Heimat“ bietet sich an, also auf nach Süden!

 

Auf dem Weg nach Süden ein kurzer Stopp in der „alten Heimat“, meine „Copilotin“ eingepackt und ab über Reit im Winkl nach Kufstein. Bis Innsbruck wieder mal gewundert über die Ausführungsbestimmungen des österreichischen IG-Luft-Gesetzes (beschränkt die Höchstgeschwindigkeit auf der Inntalautobahn auf 100 km/h und man weiß nie wann und warum?). Egal, es ist föhnig, die Straßen sind weitgehend leer, Schnee liegt links und rechts der Brenner-Straße und schon verlassen wir in Affi/Lago di Garda Sud die Autostrada, gerade rechtzeitig, um auf der Tangentiale nach Peschiera (Stadt am SO-Ende des Gardasees) in den Ostersonntag-Rückreiseverkehr von Garda-, Movie- und sonstigen „Vergnügungspark-Besuchern einzutauchen: Beeindruckend! Nach einer Stunde Verzögerungsgenuss wartet der bewährte Stellplatz bei Manerba auf uns. Einige Italiener kennen ihn natürlich auch, aber weitere 20 WOMOS könnte er locker noch vertragen, der Platz. Wir freuen uns, dass dem nicht so ist und gewöhnen uns aneinander.

 

Die Nacht bringt Regen, erst bei der Weiterfahrt nach Modena lichtet sich der Himmel. Das ist praktisch, denn für die Fahrt von Modena über den Radici-Pass in die Garfagnana sollten wir ja was sehen! Ziemlich unbekannt diese Route. Sie schlängelt sich kurvenreich bis auf 1500 Meter Höhe. An Pass zweigen wir ab nach San Pellegrini in Alpe (nicht verwechseln mit dem Pellegrino-Pass in den Dolomiten!). Auch das bekannte Mineralwasser kommt nicht daher, wohl aber viele italienische „Links-Kurven-Schneider“ meist älteren Geschlechts, die für reichlich Nervenkitzel sorgen.

Die Nacht bringt Regen, erst bei der Weiterfahrt nach Modena lichtet sich der Himmel. Das ist praktisch, denn für die Fahrt von Modena über den Radici-Pass in die Garfagnana sollten wir ja was sehen! Ziemlich unbekannt diese Route. Sie schlängelt sich kurvenreich bis auf 1500 Meter Höhe. An Pass zweigen wir ab nach San Pellegrini in Alpe (nicht verwechseln mit dem Pellegrino-Pass in den Dolomiten!). Auch das bekannte Mineralwasser kommt nicht daher, wohl aber viele italienische „Links-Kurven-Schneider“ meist älteren Geschlechts, die für reichlich Nervenkitzel sorgen.

 

Ski und Rodel sind noch gut, aber es ist schon 17:00 Uhr und die Lifte schließen gerade. Kein Apres-Ski hier oben - es fehlen die passenden Lokalitäten. Wir fahren ab in die Garfagnana, ein paralleles Nebental zur alten Pilgerstraße Via Francigena. Diese wurde um 700 n.Ch. von den Langobarden als Verbindungsweg zwischen Rom und ihrer oberitalienischen Hauptstadt Pavia angelegt und später von den Franken ausgebaut.

 

Wer auf der Autobahn von Parma über den Cisa-Pass auf die Autobahn Genua-Livorno einbiegt bemerkt linker Seite zwar die malerischen Apuanischen Alpen mit ihren auf Buckel und Berghänge gebauten Dörfer. Rechts sucht er das Meer und findet es nur selten, weil alles zugebaut ist. Industrielle Großbauten von Aulla bis Viareggio zerstören die einst wunderbare Versiliaküste.

 

Die Marmorbrüche bei Carrara erinnern an Schneefelder. Und keiner weiß, wie schön es hinter den "Alpe Apuani" ist. Ich bin ja selber 40 Jahre auf der falschen Seite vorbeigefahren

Die "Teufelsbrücke"

Und in diese Gegend hinter den sieben Bergen geht es jetzt hinab. Eine enge, nur aus Kurven bestehende Bergstraße bringt uns runter zum Fluß Serchio. Nichts für schwache Mägen.RED-151 TWO entpuppt sich als wahres Genussfahrzeug. Kurz vor dem Ort Barga wieder ein Stau, aber es sind nur noch10 Minuten zur verwinkelten Altstadt, wo auf einem Hügel der Dom San Cristoforo thront. Auffällig die erhöhte Chorschranke im Dom, die schon damals die (wahrscheinlich) „Begüteteren“ vom einfachen „Plebs“ trennte. An der Trennlinie die sehenswerte, mit Reliefs verzierte Kanzel, die auf vier von Löwen gestützten Säulen aus Marmor ruht.

 

Sein WOMO sollte man übrigens nicht auf dem praktischen Großparkplatz neben der Straße, direkt am mittelalterlichen Torbogen, lassen. Es ist nämlich Montag, die Pfingstruhe ist vorbei und die „Polizia Municipale“ eifrig im Einsatz, unberechtigte Parker zu erleichtern, und das ist jeder, der keinen Park-Ausweis als Bürger dieser Stadt an der Frontscheibe kleben hat. Es kostet viel Einsatz, die Strafe abzuwenden, besser parkt und übernachtet man auf dem deutlich ausgeschilderten WOMO-Platz, etwas unterhalb des Zentrums (44.072026, 10.481404), wo es Strom, Wasser und Entsorgung für 12 Euro gibt - leider ist der Strom (noch?) abgeschaltet.

 

Es gibt viele typische Lokale (Trattorien und Osterien) mit einheimischer Küche, Lamm-, Kaninchen-, und Wildschweingerichten, preiswert und einladend. Im Juli lädt die Stadt ein zu zweiwöchigen Opernfestspielen in der Opera Barga, einen Monat später zwei Wochen Jazz auf den Plätzen der Altstadt und im Theatro di Differenti. Viele Engländer („Flüchtlige“ von der verbauten Versiliaküste?) haben sich in Barga niedergelassen. Nimmt man die überwältigende Rundumsicht auf die Garfagnana vom Dom dazu, so ist Barga ein „Muss“ für jeden!

 

Nicht weit entfernt, erreichbar auf einer engen Straße durch die Gallicano-Schlucht nach Fornovelasco lockt die Grotta del Vento, eine riesige Tropfsteinhöhle – die Attraktion in den Apuanischen Alpen. Mit „Großparkplatz“ zum Übernachten (44.033833, 10.358097)! Auf der Weiterfahrt am linken Serchio-Ufer passieren wir die Ponte della Maddalena, die „Teufelsbrücke“ über den Serchio. Warum Teufelsbrücke? Wahrscheinlich, weil der im Frühjahr reißende Fluss Serchio es bisher nicht schaffte, sie zu zerstören, und somit nur der Teufel so ein Bauwerk erstellen hat können. Wie gesagt, das war vor 800 Jahren.

Am See von Massaciuccoli

Lucca und Pisa lassen wir links liegen und entscheiden, zum Lago di Massaciuccoli zu fahren. Am Seeufer (Wegweiser: „Oasi Massaciuccoli“) finden wir Platz am Mini-Hafen, ideal zum „Chillen“ (43.836222, 10.356327). Holzstege laden zum Spaziergang zu den Vogel-Beobachtungs-Hütten ein. Außer unzähligen Kormoranen, die ihre Flügel trocknen, sieht man allerdings nicht viel, höchstens ein paar "schräge Vögel" mit menschlicher Gestalt – ist ja auch „Siesta-Zeit“! Selbst der Eisverkäufer in seinem Nostalgie-Verkaufsbus pennt! Dafür fällt Anna auf, dass die Leute, die für das kleine Naturkundemuseum arbeiten, extrem kurz sind. Wieso fällt ihr das auf?

 

Ausgeruht und entspannt heißt das nächste Ziel Vinci, Geburtsort von Leonardo da Vinci. Auf der Autostrada bleiben Lucca und Montecatini Terme - richtig! wieder links liegen – Collodi mit Pinocchio ebenso – erst in Pistoia geht’s ab zum Monte Albano. In San Baronto nehmen wir (sorry, ich) diesmal die falsche (rechte) Straße nach Vinci. Die linke Abzweigung wäre viel schöner gewesen, wissen wir von einer früheren Radtour. Das Museum „Leonardiano“ bleibt unbesucht, aber der Gastronomie können wir nicht widerstehen. Außerdem kann man gut übernachten, am besten am früheren Sportplatz, der sich zur Hälfte in Tennisplätze verwandelt hat (43.780639, 10.928178). Im Westen gibt es einen neuen, ruhigen Parkplatz mit toller Aussicht (43.783952, 10.922738). Oder man übernachtet direkt im Zentrum.

Vorsicht Wildschwein!

Über Empoli und San Casciano in Val di Pesa führt eine kleine, abwechslungsreiche Straße ins Herz der Chianti Region. „Chianti“ nennt man die Landschaft im Dreieck zwischen Florenz, Siena und Monte San Savino, innerhalb dieses Gebietes liegt das Weinbaugebiet Chianti Classico. Auf beinahe jedem Hügel findet sich ein mittelalterlich anmutendes Städtchen oder Dorf, eine Burg bzw. ein Wein- oder Landgut, während die schmalen Flusstäler mit zahlreichen Mühlen und Wirtschaftsgebäuden bebaut sind. Die meisten dieser Landgüter sind umgewandelt in hochpreisige Hotels, Ferien- und Appartementhäuser oder Pensionen mit allem Luxus und warten auf zahlungskräftige Gäste, zu denen wir uns nicht unbedingt gesellen wollen, also suchen wir nach passenden Alternativen.

 

Auf einem kleinen Hügel liegt der alte Stadtkern von Panzano mit Burg. In der malerischen Altstadt haben sich einige (Kunst-) Handwerker angesiedelt, wo man mehr oder minder geschmackvolle Mitbringsel und Fleisch- und Wurstwaren erwerben oder in einem Restaurant einkehren und die Aussicht auf das Umland genießen kann. Das Beste ist der Übernachtungsplatz knapp unterhalb der Stadt, den schon viele kennen, mit phantastischer Aussicht.

 

Greve in Chianti ist das Zentrum der Chianti-Region. Zwar nicht so alt wie die benachbarten Orte und untypisch im Tal, am gleichnamigen Flüsschen gelegen, bietet es einen Stellplatz mit Wasser und Entsorgung und bis zur Piazza Matteotti sind es nur 10 Minuten. Mitten auf dem dreieckigen Platz thront eine Statue von Giovanni da Verrazanno, genau, in New York erinnert die Verrazzano Bridge zwischen Brooklin und Staten Island an ihn. In den umlaufenden Loggen (Arkadengängen) kann man alles kaufen, vor allem Wein und Wurstwaren. Vor der bekannten Antica Macelleria Falorni animiert ein ausgestopfter Eber die Touristen und auch wir kaufen brav Salami Finochiona (Fenchelsalami) wohl wissend, dass nichts mehr hausgemacht ist, sondern aus der Fabrik gleich neben dem Stellplatz kommt. Sie schmeckt aber dennoch phantastisch. Fast 200 Weinbauern der Grever Genossenschaft liefern hier ab: entsprechend groß ist die Anzahl der Probierstuben.

 

Als Standort für Wanderungen ist Greve ideal, vor allem weil gleich hinter dem Stellplatz ein Frei- und Hallenbad zum Plantschen und Säubern einlädt. Radda wäre auch einen Abend wert, aber hier merkt man schon die negativen Auswirkungen des Massentourismus auf die Stadtväter: Eurozeichen in den Augen, es gibt noch viel zu verdienen, packen wir’s (ein) an! Schade, die Lage ist nämlich schon schön!

Prozessionsspinner

Viel ruhiger ist’s am Parkplatz von Volpaia, gleich unterhalb des Restaurants La Bottega.

 

Wir wandern zum fast 900 Meter hohen Monte San Michele, begegnen dabei einer Schlange aus Eichen-Prozessionsspinnern, kommen vom geplanten Weg ab, erreichen aber dennoch Badiaccia a Montemura. Von dort geht’s abwärts zum verlassenen Weiler Dogole und quer durchs Gelände wieder zurück nach Volpaia. Ein Genuss! Wie gesagt, Wandermöglichkeiten und Mountainbike-Touren sehr gut.

Siena - von der Fortezza aus

Ein kurzer Abstecher nach Siena, der heimlichen Hauptstadt der Toscana muss sein! Am Fortezza Medicea dürfte man mit dem WOMO nicht mehr stehen, aber um diese Zeit (Anfang April) kann man’s wagen (43.321501, 11.324245). Der Blick auf die Altstadt ist malerisch und der Fußmarsch zum Zentrum dauert nur eine Viertelstunde. Heute konzentrieren wir uns auf den Dom, löhnen wie inzwischen in fast allen italienischen Kirchen heftig, haben aber das Glück einen Weg nach oben zu finden mit grandioser Rundumsicht auf den Campo und die Altstadt. Natürlich statten wir auch noch dem Campo einen Besuch ab und stellen uns den Trubel beim alljährlichen Palio (Pferderennen) vor. Die Pizzerien um den Dom sind inzwischen weitgehend in türkischer Hand, Döner sei gegrüßt!

Wir suchen nach einem Nachtquartier, Monteriggioni würde sich anbieten mit zwei Stellplätzen (43.389022, 11.226205), aber uns zieht’s weiter: nach Pontremoli in der Lunigiana. In Mulazzo, einem nahen Bergdorf bin ich in den Siebziger-Jahren des letzten Jahrhunderts – hört sich ganz schön alt an – mit dem Italien-Virus infiziert worden. Mir tut meine Begleiterin leid, wenn ich ständig über die Zeiten in der Ölmühle von Hajo Bathmann fabuliere. War ja auch toll, als Student damals mit VW-Käfer und viel Zeit.

 

Also Pontremoli war Einkaufszentrum für uns damals und ich erinnere  mich, dass am Fluss Gordana Parkplätze waren. Von dort konnte man über eine uralte Steinbrücke direkt hinüber ins Zentrum …

 

Das Unwetter vor einigen Jahren hat auch hier gewütet und die Parkplätze sind noch in Restauration. Aber wir finden etwas weiter außerhalb und machen uns auf den Weg ins Zentrum. Es hat sich nichts verändert, wie auch. Düster und eng wie eh‘ und je. In der Osteria della Luna verabschieden wir uns von unserem Kurztrip, schlafen ungestört und düsen am nächsten Tag nach Hause, nicht ohne noch im Supermarkt bei Affi ausreichend Lemonsoda für meine Kinder gebunkert zu haben.

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