Krankheit überstanden – der Urlaub (2. Teil) kann beginnen. Der Platz La Salina, nördlich vom Capo Comino (40.54152, 9.79642) ist optimal zur REHA. Aber allzu lang halte ich die Untätigkeit nicht aus: ich setz' lieber auf aktive Erholung! Sos Alinos kommt gerade recht zum Einkaufen: was sehe ich? Ich kann’s kaum glauben: ausschließlich Tomaten aus Holland im Angebot! Natürlich frage ich den Besitzer: „Die Touristen wollen das!“ seine Antwort. Schauderhaft! Da gibt es vieles günstig im Land und dann verkauft der seine Holland-Tomaten für 3,50 € das Kilo, unglaublich!
Die selbst auferlegte REHA "zwingt" mich zu einer Erholungs-Nacht bei Foche Pizzinas (40.38159, 9.74066) nahe der Stadt Orosei, enge Rumpelstraße hinab zum Strand, aber auch für größere WOMOs machbar. Ruhig und ungestört ist die Nacht, bis auf einen VW-Bus, der spät nachts runterfährt und früh morgens grußlos verschwindet, samt Insassen.
Ich seh‘ mir die Marina von Orosei an, mit den kilometerlangen Parkplätzen hinter den Dünen. Natürlich stehen auch hier überall Verbotsschilder. Am häufigsten signalisieren sie: "No Camping" was mich nicht interessiert, solange ich keine Stühle, Tische oder ähnliches rausstelle. Besonders spitzfindige "Beamte" sollen auch schon Unterlegkeile als "camping" definiert haben – wahrscheinlich WOMO-Latein, schlimmer als Angler! Was wir machen ist schlicht und einfach "Parken", um Schwimmen zu gehen und sich zu sonnen. Italiener "sonnen" sich übrigens nicht, sondern machen "Helio-Therapie" und dafür darf man auch parken. Was man dann im WOMO macht, geht keinen was an!
Leider gibt es mehr und mehr „konkrete“ WOMO-Verbots-Schilder. Vor allem die Gemeinden im Norden und die privaten, exklusiven Wohnsiedlungen gehen in der Hauptsaison (Juli/August) zum Teil rigoros vor und rufen die Ordnungshüter zur Verteilung roter Karten. In den übrigen zehn Monaten interessiert sich kein Schw.... um dich, und das ist auch gut so. Wir kaufen doch auch ein, gehen essen, tanken, besuchen Sehenswürdigkeiten, etc. Und man kann ja mit den meisten Ordnungshütern auch reden, also einfach "cool" bleiben!
Jetzt aber geht’s rauf zum Monte Tuttavista*). Von der SS 125 Richtung Dorgali; mitten im Marmor-Steinbruch, vor einem riesigen Haus, zweigt rechts eine Straße ab (40.359131, 9.656834). Vielleicht einen Kilometer, dann stehe ich vor einem Tor und die Straße (durchgehend geteert) führt in endlosen Serpentinen hinauf. 600 Höhenmeter auf 4000 Metern Länge. Richtig: Durchschnittlich 15% Steigung und nur einspurig. Aber es kommt keiner entgegen. Zwischendrin stoppt man und geht 10 Minuten zum grandiosen Felsentor Sa Preta Istampata mit unglaublichen photographischen Möglichkeiten. Ich kann‘s mir nicht verkneifen und klettere aufs Dach des Bogens – aber es ist niemand da, der mich fotografiert. Nur als ich zurückkomme steht tatsächlich ein Regensburger Mini-WOMO neben mir! Das Pärchen ist aber nur an sich selbst interessiert. Die Aussicht oben ist grandios. Übernachten kann man leider nicht, der Wächter kommt abends, vertreibt alle und sperrt das Tor ab.
*) Diese Tour ist übrigens ideal fürs E-Bike. Parken in Orosei und los geht’s! Gute 4 Kilometer sind’s vom Tor bis zum Parkplatz oben!
Ok, fahre ich eben nach Serra Orrios, einem Nuraghendorf mit 40 (wieder rekonstruierten) Rundhütten und zwei Tempelbezirken.
Gegen 2000 v.Chr. erschien in Sardinien eine kämpferische Hirtenkultur auf der Bühne. Waren es Einwanderer aus dem östlichen Mittelmeerraum oder änderten die Sarden ihren Lebensstil – eher unwahrscheinlich. Als typisches Merkmal gelten die von ihnen errichteten Nuraghen (= Steinhaufen), kegelförmige, konische Rundtürme von grob aufeinander geschichteten Steinblöcken. Keine Fenster, nur Schießscharten in den meterdicken Mauern. Über 7000 zählt man inzwischen, obwohl die Steine späteren Generationen als ideales Baumaterial dienten. In Europa gibt es nichts Vergleichbares. Kultstätten oder militärische Einrichtungen - man weiß nichts darüber: es existieren keinerlei Aufzeichnungen.
Man geht davon aus, dass sich Familienclans jeweils um einen Nuraghe ansiedelten, den sie gegenüber ihren Nachbarn verteidigten. Eine Situation, die die sardische Geschichte bis in die heutige Zeit begleitet. Rivalität Dorf gegen Dorf, ohne Streben nach einer Einheit. Feinde von außen (Phönizier, Römer) initiierten größere Komplexe wie Su Nuraxi bei Barumini . Generell zogen sich die Nuraghier mehr und mehr ins Inselinnere zurück.
Die Rekonstruktion der Wohnhütten ist fiktiv: aus Steinhaufen hat man sie wieder aufgebaut. Circa einen Meter dicke Wände bis zu einer Höhe von 170 Zentimetern und darauf wahrscheinlich ein kegelförmiges Dach. Jede Familie eine eigene Hütte, auch wenn sie Wand an Wand gebaut wurden.
Die Sonne sinkt und Su Gologone winkt als Schlafplatz (40.289023, 9.494266). Die größte Karstquelle Sardiniens verkommt zum Rummelplatz, die Sarden holen sich aber immer noch ihr Trinkwasser von da – ich auch, denn es schmeckt einfach phantastisch. Typische Unruhe bis Mitternacht: Autos fahren bis zum Anschlag, drehen um und sind wieder fort. Ewiges italienisches Mysterium. Man fährt, bis es nicht mehr weitergeht, dreht um und ist wieder weg. Kann mir mal jemand sagen, warum?
(Neueste Erkenntnis: ein Sarde, den ich bei Su Gologone getroffen habe, behauptet, die Italiener suchen des nachts ihre untreuen Frauen - hat was!)
Jetzt aber zum Programm „Fünf Tage „Gennargentu aktiv“!
1. Tag – Valle di Lanaittu: Nuraghierdorf auf dem Monte Tiscali
Von Su Gologone führt eine ca. 7 km lange, staubige Straße ins Val Lanaittu zum Rifugio Su Ohe (40.25649, 9.40065). Man kann dort das Nuraghier-Dorf Sa Sedda e‘ sos Carros sowie zwei Grotten gegen Entgelt besichtigen.
Viel interessanter: man folgt immer der Wegmarkierung 410 (rot-weiß-rot), 500 Meter zurück, dann rechts. Nach 2,5 Kilometern wird aus der mäßig ansteigenden „strada bianca“ eine Jeep-Piste, die sich immer steiler und alpiner zeigt, bis man nach eineinhalb Stunden durch einen Felsspalt mit eingezogenem Bauch schlüpfen muss. Anschließend auf Felsbändern 10 Minuten leicht bergab über Schrofen-Gelände, bis man über der eingebrochenen Karsthöhle steht. Von dem, was die Vorbesucher übrigließen und was nun durch eine Kooperative geschützt wird, weiß man, dass zeitweilig bis zu 200 Menschen hier in der Höhle gelebt haben. Als Fluchtburg, vor den Römern? Der schmale Spalt war gut zu verteidigen, andere Zugänge waren damals nicht vorhanden. Jedenfalls gibt es auf diesem Karstgebirge heute kein Wasser mehr. Dafür ist dies aber einer der magischsten Orte, die ich kenne. Man sollte hier oben übernachten!
Bergab führt der Weg 481 (rot-weiß-rot) östlich hinab in eine Senke, dort links an einem Bachbett entlang und wenn es eben wird: scharf links, etwas bergauf und man ist wieder am Beginn der Jeep-Piste. 3-4 Stunden plus Pausen mit 400 Metern Höhenunterschied braucht man schon, um danach - völlig allein (die Belegschaft von Sa Ohe verschwindet um 18:00 Uhr) - ein kleines Feuer auf den dafür vorgesehenen Grillstellen zu machen und die leeren Speicher wieder aufzufüllen. Sollte wirklich mal etwas polizeiähnliches auftauchen, dann, nach Aussage des wirklich netten Lokal-Betreibers, einfach eine leere Weinflasche vorzeigen, um zu signalisieren, dass man heute nicht mehr fahrfähig ist!
2. Tag – Auf den Sopramonte von Oliena aus
Ein paar Kilometer sind’s nur bis Oliena, ein großer „Conad“ Supermarkt rechts neben der Einfallstraße und die Cantina Nepente Oliena ("Cannonau-Tankstelle") ist auch nicht weit entfernt (40.27921, 9.40065). Wohlschmeckender Cannonau im „Sechserpack“ und „vino sfuso“ aus dem Zapfhahn.
Oberhalb der letzten Häuser von Oliena beginnt eine 2,5 Kilometer steile Waschbetonpiste mit vielen Kehren hinauf zur Cooperativa Turistica Enis am Monte Maccione (gut beschildert), wo man parken und eventuell übernachten kann (700 Meter ü.M.). Die betonierte Piste setzt sich weitere 5 Kilometer bis kurz unter den Sattel Scala e Pradu (1227 Meter ü.M.) fort. Nicht mit dem WOMO fahren! Eineinhalb Stunden brauche ich bis zum Sattel, weil die Sonne voll auf diesen Südhang knallt. Vom Sattel geht’s in einer Stunde auf den Sos Nidos (1348 Meter ü.M.) mit überragender Fernsicht nach Osten. Fast 5 Stunden dauert es, bis man wieder beim WOMO ist. Zum Übernachten bietet sich wieder Su Gologone an.
3. Tag – Wanderung zum Monte Novi Giovanni
(1316 Meter ü.M.)
Die Fahrt geht über Orgosolo, das angebliche „Banditendorf“ mit den vielen murales (Hausmalereien). Hintergrund ist eher ein verzweifelter Widerstand sardischer Hirten gegen die Übergriffe des italienischen Staates und der Ausbeutung durch Großgrundbesitzer. Natürlich hängten sich auch kriminelle Elemente an und kochten ihr eigenes Süppchen und auch mafiaähnliche Familienkriege spielten und spielen eine Rolle. 2007 wurde der 82-jährige Dichter und Sänger Peppino Marotte hinterrücks erschossen. Einige Tage später findet man zwei tote Brüder, die als mutmaßliche Mörder gelten. Insgesamt starben neun Personen. Die Vendetta oder Faida lebt noch!
Fährt man weiter Richtung Mamoiada, kommt man auf die Hochebene Pratobello. 1969 entdeckte die NATO die Hochfläche als ideales Truppenübungsgelände. Als die Militärs mit Panzern anrücken findet eine beispiellose Solidarisierung unter den sonst keinesfalls einigen Sarden statt. Ganz Orgosolo und viele Menschen aus allen Teilen Sardiniens leisten passiven Widerstand. Kinder, Greise, Frauen und Kranke blockieren die Zufahrtswege, sperren mit ihren Schaf- und Ziegenherden die Straßen, entfernen Straßenschilder. Nach kurzer Zeit müssen die Soldaten den Pratobello räumen. Erstmals hat sich eine sardische Kommune erfolgreich gegen die staatliche Macht aufgelehnt: Beginn der sardischen Autonomiebewegung.
17 Kilometer von Orgosolo entfernt erreiche ich die Localita Montes, die Forstkaserne (40.12289, 9.39645). Obwohl es bereits 16:00 Uhr ist, mache ich mich noch auf den Weg durch herrlichen uralten Steineichen-Wald, perfekt aufgeräumt durch darin weidendes Alm Vieh. Ich passiere nach einer halben Stunde eine Quelle mit Picknick Anlagen – man könnte und dürfte die Forststraße auch befahren, allerdings nicht – was für ein Segen – mit Quad oder Enduro. Nach einer weiteren halben Stunde stehe ich vor dem Klotz des Monte Novo San Giovanni. 15 Minuten reichen für die Kraxelei der letzten 80 Höhenmeter. Oben sitzt die Feuerwache und bietet mir einen Espresso an. Mit einem Müsliriegel kann ich mich revanchieren. Die Aussicht macht mich sprachlos. Von Süden wälzen sich die Wolken herauf, also schnell zurück.
Ich gebe im Forsthaus Bescheid, dass ich übernachte: dafür schaltet der Chef die Außenbeleuchtung ein, damit ich mich nicht fürchte! Es ist so ruhig, dass man die Ruhe direkt hören kann. Nicht mal eine „Leiermaus“ (Zwergeule) traut sich meine Nachtruhe zu stören.
Am nächsten Tag rücken die Forstbeamten wieder an: 30 Mann, und jeder hat seinen eigenen Geländewagen! Da sich nicht oft WOMOs da hinauf verirren, bin ich gleich umringt und gelöchert von allen möglichen Fragen, bis der Chef sie vertreibt – herrlich!
4. Tag – auf’s Dach von Sardinien
Gute 40 Kilometer weiter, über die Orte Pratobello und Fonni, erreiche ich die Talstation des Skilifts in 1570 Metern Höhe (40.02318, 9.30412). Frisch ist es geworden!
Eineinhalb Stunden zieht sich ein Pfad (Brancu Spina ausgeschildert) quer den Berg entlang bis zum Sattel Arcu Guddetorgiu, kaum 100 Meter höher. Dann erst wird’s steiler und erst nach einer weiteren halben Stunde, auf einem Kamm, sieht man den höchsten Punkt, die Punta la Marmora, eine Viertelstunde entfernt. Wenn das Wetter besser wäre, könnte man fast ganz Sardinien überblicken! Der Rückweg ist derselbe: viereinhalb Stunden habe ich gebraucht und es wird immer kälter. Ich denke an Glühwein und igele mich ein. Außer Kühen habe ich keinerlei Gesellschafft!
5. Tag – Perda Liana, Sardiniens Wilder Westen
Ich erwache über den Wolken, es hat immerhin noch 11 Grad und stochere durch den Nebel Richtung Lago Alto de Flumendosa. Am südlichen Ende führt eine Straße nordwärts am See entlang. In der Zwischenzeit hat sich ein Prachtwetter entwickelt, der Nebel aufgelöst, es wird warm mit einer Traumsicht und ich beiß‘ mir fast in den Hintern, wenn ich hinüberschaue zur Punta Marmora. Hätte das nicht gestern so sein können?
Egal, was jetzt kommt, ist mindestens genauso beeindruckend. Die markante Felsnadel des Monte Perda Liana beherrscht die Szenerie. Wie im Monument Valley in den USA komme ich mir vor. Eine frostgebeutelte, aber geteerte Straße führt steil zu einem neuen Parkplatz (39.91695, 9.41483).
20 Minuten Aufstieg nur, dann kann man den „Tacchi“ oder „Tonneri“ umrunden. Hunderte Mehlschwalben spielen mit den Aufwinden und ich hole mir mein zweites Frühstück von den „Erdbeerbäumen“ deren Früchte wirklich tiefrot und kugelig an Erdbeeren erinnern, leicht säuerlich und mehlig schmeckend und genau richtig reif sein müssen, sonst „munden“ sie nicht. Bitte um Aufnahme ins Buch „Vom richtigen Zeitpunkt“! Es gibt eine vorzügliche Marmelade von diesen „Corbezzoli“, ich habe sie nur in Sardinien gefunden (die Marmelade!).
Der Klotz scheint unbezwingbar, aber ein verräterischer Pfad schlängelt sich bis an die Felswände, dann gäbe es eine Seilhilfen für ca. 10 Meter, die aber nicht vertrauenswürdig aussieht. Außerdem habe ich nichts zum Abseilen dabei. Muss warten bis zum nächsten Mal. Eineinhalb Stunden, länger hat die Umrundung nicht gedauert, aber was für Eindrücke!
Auf dem Weg zur Ostküste verklettere ich mich mit RED 151 auf eine Pass-Straße, nirgendwo eingezeichnet. Das Navi kennt sie nicht. Andere Autofahrer auch nicht, aber die Aussicht hinab in die Ogliastra ist spektakulär. Irgendwann erreiche ich die Straße nach Gairo S. Elena. Und von dort bin ich in einer halben Stunde am Strand bei meiner Pizzeria in der Nähe des Torre di Bari. Leider hat sie zu, aber der Wein schmeckt hervorragend. Vor allem, weil die Tage so erfüllt waren und ich dieses Mal fit bin.
Fazit:
Das Gennargentu Gebirge ist das Gebirgs-Massiv in Sardinien. Man kann sich wochenlang darin „verirren“ und einen Berg nach dem anderen besteigen. Und ist dabei meist völlig allein, vor allem um diese Jahreszeit. Außer pastori (Hirten) und Mitglieder der Corpo forrestale trifft man selten Menschen. Im Hochsommer ist es sicher anders, was die vielen Picknickplätze vermuten lassen. Festes Schuhwerk sollte man schon haben und immer das Wetter beobachten. Es kann – wie bei uns – schnell umschlagen. Kartenmaterial gibt es ausreichend zu kaufen in den „Edicoli“. Ich habe mich – wie bei allen anderen Touren - auf das Buch von Eberhard Fohrer, „Sardinien“ gestützt. Meiner Meinung nach das umfangreichste Werk über Sardinien. Äußerst hilfreich ist auch Peter Höhs „Die schönsten Routen durch Sardinien“ und der Rother Wanderführer „Sardinien“ mit den bekannten Schwächen. Manchem mag auch der „WOMO-Schulz“ hilfreich sein, wenn er die unzähligen Infos richtig verwerten kann. Die 12 Sardinien Karten aus dem Kompass-Verlag im Maßstab 1:50 000 sind optimal.
Die Gebirge Sardiniens sind ein Mittelding zwischen Bayerischem Wald und Voralpen und tritt- und orientierungssicher sollte man schon sein. Übernachten kann man bedenkenlos überall, wenn man sich vor der „Einsamkeit“ nicht den Schneid abkaufen lässt.
Zum Tag der Deutschen Einheit gönne ich mir einen WOMO-Stellplatz in der „Cucumonga“ Bucht (39.755789, 9.672211), vor dem Campingplatz Coccorocci. Ab und zu eine richtige Dusche tut auch gut. 10 Euro erscheint mir angebracht, nur dass er – der Chef – 5 € fürs Entsorgen will „stinkt“ mir. Ihm nicht, denn „pecunia non olet!“ sagten doch die alten Römer schon.
Ich treffe ein älteres, sehr nettes Ehepaar aus Neumarkt/Oberpfalz und bin froh meine Stimme wieder üben zu können. Gewaschen wird auch, so werden es zwei Nächte und am Mittwoch geht’s weiter mit ein wenig Kultur.
1. Tag – Grotta di Marmuri
Vom Stellplatz führt die Straße nach Jerzu, geradezu malerisch an den Berg geklebt. Interessant ist hauptsächlich die Cantina Sociale Jerzu - wegen des Weins. Neben dem Gebiet von Oliena wächst hier ein weiterer berühmter Cannonau. Die Traube ist uralt, sehr dickhäutig, weil viel Hitze im Sommer, der Wein rubinrot und schwer, und hervorragend trinkbar, wenn er mindestens zwei Jahre gereift ist. Der Tafel-Wein von der Zapfstelle ist leichter und beweglicher. Nach Probieren diverser Sorten fährt das WOMO wie von selbst die enge und steile Zufahrt zur Grotta di Marmuri hinauf. Oben ist natürlich ein wenig Rummel, aber der Stellplatz in 830 Metern Höhe hat eine grandiose Aussicht (39.788457, 9.527221).
Um 14:30 Uhr beginnt unsere deutsch-sprachige Führung. Es geht zu Fuß bergauf und dann tief in die Höhle hinein. Kein Mensch hat sie je bewohnt, was Wunder bei ständigen 9° Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 90%. Obwohl bestens präpariert frösteln wir – Gerlinde und Heinz haben es sich nicht nehmen lassen mitzukommen. Die Höhle ist durchweg 40 Meter hoch und man kann fast einen Kilometer „hineinrutschen“, denn der Boden ist feucht und Turnschuhe waren die falsche Wahl. Sehr interessant, vor allem wenn man hört, dass im Winter Tausende von Fledermäusen hier Quartier machen und ein Bach hindurchfließt und die Höhle deshalb von November bis April gesperrt ist. Mein Bedarf an Höhlen ist jedenfalls bis auf weiteres gedeckt, ich habe mich erkältet. Das ristorante hat abends zu, also verkosten wir den frisch gekauften Wein mit netten Gesprächen am Übernachtungsplatz.
2. Tag – Nuraghe Arrubio
Weiter geht’s wieder allein: von Ulassai durch die Scala di San Giorgio. Irgendein heiliger Mann kam – der Legende nach – damals nicht durch den Felsstock oberhalb von Osini. Ihm zuliebe und, weil er gar so fromm war, spaltete sich der Fels, und der arme Mann musste nicht klettern, was er vermutlich sowieso nicht beherrschte. Die Legende sagt auch nicht, was er da oben wollte.
Am „Einstieg“ steht eine „Arbeitbeschaffungsmaßnahme“, ein hübsches Mädchen aus dem Dorf, und verkauft Tickets für einen Euro. Dafür darf ich 50 Meter hinaufsteigen, an einem Höhlenspalt vorbei, wo’s „schröcklich“ kalt herausbläst und wieder hinab. Ob sich das rechnet für uns beide? Egal, sie ist sehr nett und gibt mir viele Infos über ihr Dorf und Sardinien. Man merkt, viele Leute kommen hier nicht vorbei.
Die Straße führt weiter auf ein Hochplateau mit einigen Nuraghen und sogar zu einem Restaurant, das jetzt aber zu ist. Zurück nach Osini und weiter Richtung Ussassai, durch ein herrliches, menschenleeres Gebiet mit tiefen Canyons, Quellen, einigen Flüssen und viel Wald. Ein super Gebiet für Trekkingtouren! Durch Seui komme ich nach Sadali, statte dem Parkplatz bei der Grotta de is Janas einen Besuch ab (39.84500, 9.26607) und kann „entleeren“ und "auftanken".
Zum Ausleeren der Bordtoilette muss ich jetzt einfach mal was sagen: in jedem WOMO-Führer wird als größte Sünde das Entleeren dieser Tanks in freier Wildbahn angeprangert. Ist natürlich in Ordnung, macht man nicht. Wenn man aber sich in Strandnähe im Gebüsch umschaut, findet man überall die Hinterlassenschaften der Badegäste. Logisch, wohin auch, wenn keine Toiletten vorhanden sind? Bei der Gelegenheit wünscht man sich, dass es Tempo-Taschentücher auch in Grün oder Oliv gäbe. Andererseits sind es gute „Warnmarkierungen“. Addiert man im Geiste die Hinterlassenschaften, könnte man den Inhalt einiger Bord-Toiletten entsorgen, um gleichzuziehen. Und vorher ein Loch graben und nachher zuschaufeln. Natürlich nur, wenn keine anderen Möglichkeiten vorhanden sind. Oder nicht liebe "WOMO-Päpste“?
Zum Übernachten ist es noch zu früh, also weiter, entlang der Schmalspurbahn "trenino verde" hinab zum Lago del Flumendosa (sehr wenig Wasser) und durch ein Tal, in dem im Sommer eine Feuerwalze gebraust sein muss, nach Nurri. Es riecht immer noch „brandig“: ein Areal von 5 mal 10 Kilometern ist vernichtet!
Am Nuraghenkomplex Arrubio (39.662401, 9.293637) übernachte ich, lasse eine Gewitterfront durchziehen und erkunde gegen Mitternacht das Gelände. Alle Bediensteten sind heimgefahren und ich kraxle zur Geisterstunde da herum. Ein neuer Schauer beendet die Tour, ich geh` ins Bett und schau mir alles am nächsten (wieder strahlend schönen) Morgen nochmal genau an.
3. Tag – Die Hochebene von Goni
Anstatt zum Tafelberg Giara di Serri fahre ich nach Goni und von dort auf die Hochebene von Pranu Muteddu (39.56759, 9.27028), einer megalithischen Nekropole (einem Gräberfeld). Menhire aus der Ozieri Kultur, lang vor den Nuraghiern, gibt es da zu Hauf. Die Ähnlichkeit mit keltischen Relikten ist verblüffend: Menhire („perdas fittas“) in einer Reihe, ausgerichtet zur aufgehenden Sonne bei Tag- und Nachtgleiche. Auch kreisförmige Areale sind sichtbar und Kammergräber, die „domus de janas“. Den nahebei gelegenen Nuraghen von Goni erklimme ich mit RED: habe mich verlesen; man sollte hier zu Fuß hinauf gehen, nicht mit dem Auto! Ich schaffe zwar den Anfang, aber irgendwann wird es zu eng, und ich muss einen Teil rückwärts managen. Immerhin kenne ich jetzt die Grenzen von RED – und die sind verdammt hoch, unglaublich, was der alles schafft!
Ein schöner Rastplatz wäre noch am Rio Flumendoso (39.56392, 9.34475) aber das braune Wasser lacht mich nicht an; ich fahre zurück ans Meer. Porto Corallo habe ich noch besucht! Hätte ich mir sparen können. Am Sarazenen-Turm kann man zwar übernachten, aber ansonsten mag man hier keine WOMOs.
Ist ja gut, es gibt noch so viele andere schöne Plätze, beispielsweise, die Bucht von Castiadas, bei den Ruinen, südlich der Costa Rei (39.19939, 9.51829). Vorbei am offensichtlich verlassenen Medical Center kann man sich dort gut verstecken. Ich mach‘ das ja normalerweise nicht so gerne und steh' lieber frei und sichtbar; die Vorkommnisse am Samstag werden mir in dieser Hinsicht wieder recht geben. Aber erst mal genieße ich das „Costa-Rei-Feeling“ mit goldenem Sand, azurblauem Wasser und zwei doofen WOMOs aus Essen und FFB gleich nebenan.
Samstag ist’s und gegen Abend drücken immer mehr, ziemlich alte und verbeulte WOMOs aus Cagliari in mein schönes Eckchen; sie bauen mich und die zwei anderen WOMOs regelrecht ein. Jung und Alt, viele Kinder und ich merke schon, man ist hier nicht erwünscht – ist wahrscheinlich deren Wochenendplatz. Nach einem Tritt gegen mein WOMO räume ich freiwillig das Feld und fahre – es ist schon 23:00 Uhr -zum Capo Carbonara, wo ich meine Ruhe habe. Wer weiß, was dort für Geschäfte liefen.
Die anderen WOMOs stört das scheinbar nicht. Am nächsten Tag habe ich – neugierig wie ich bin – noch mal vorbeigeschaut: alles weg, niemand mehr da. Vielleicht haben die Carabinieri den Platz geräumt: ich werde es nie erfahren. Lehre: man soll sich auf sein Bauchgefühl verlassen und sich nicht „verstecken“ mit dem WOMO!
Ich gönne mir zwei ruhige Tage am Camping Tiliguerta, ehemals Su Pirastu und freue mich auf die Westküste.
Westward
Mein Weg führt auf der Schnellstraße am Gebirge Sette Fratelli vorbei nach Cagliari, links liegt das Genueser Kastell Aquafredda und dann beginnt schon die ausgebuddelte Erde des Sulcis um die Stadt Iglesias. Mussolini hat in seinem Traum vom „Tausendjährigen Reich“ Millionen Lire investiert, um das Gebiet von seinen Erzen zu befreien: Kohle, Eisenerz, Blei, Zinn, Zink und ein wenig Silber, aber insgesamt einfach in minderer Quantität und Qualität. Überall die „Leichen“ vergammelter Bergwerke, verrostete Fördertürme, eingefallene Schachtanlagen, zusammengefallene Gebäude – manchmal erinnert es einen an eine Mondlandschaft.
Da erfreut das azurblaue Meer bei Gonnesa mit Riesenparkplätzen, jetzt (12. Oktober) völlig leer und ungepflegt. Die früher zu Hauf vorhandenen Müllcontainer sind verschwunden, man „trennt“ jetzt als neueste Errungenschaft nach Plastik, Papier, Glas und Restmüll und unterweist jeden Touristen, wie er es zu handhaben hat. „O‘ mia bella Italia“, wenn du wüsstest, dass alles später wieder zusammengekippt wird und größtenteils – für teures Geld – von ausländischen Müllverwertungsfirmen abgeholt wird? Aber man hat ein „besseres“ Gewissen. Die Entsorgung wird halt schwieriger, man muss schon suchen, bis man Möglichkeiten findet. Vielen Italienern ist das zu mühsam, und sie laden, wie gehabt, am Straßenrand ab, und wo ein Haufen liegt, da kommt der nächste dazu – und keiner nimmt den Dreck mit!
Der Inselfelsen Pan di Zucchero grüßt und vom Ort Nebida kann man ihn auf einem kleinen Rundweg – erinnert ein wenig an die Via del Amore zwischen Riomaggiore und Manarola an der Cinque Terre – perfekt photografieren. Am besten dekadent vom Sessel aus in der Bar „Al 906 Operaio“ mit einem Cappuccino in der Hand. Gleich danach in Masua, bevor die Straße steil hinaufklettert, geht es links hinab ans Meer, vorbei am Tagebau der Minenanlage Porta Flavia zu einem versteckten Camping/Stellplatz. Bis in die zwanziger Jahre mussten die Arbeiter das Erz (Blei, Zinn und ein wenig Silber) hinab zu den auf Sand liegenden Segelschiffen tragen, dann bohrte man zwei Schächte übereinander in die senkrechten Wände über dem Meer, gegenüber dem Pan di Zucchero, aus dem mittels Förderbänder die Schiffe, die dort ankerten, über einen beweglichen Arm beladen werden konnten. Betrieben hat die Anlage eine belgische Firma, die davon reich wurde, geblieben sind durchwühlte Erdmassen und die Stollenanlage, die man jetzt besichtigen kann.
Auf dem Weiterweg biegt man links ab zur Cala Domestica mit ihrer Stellplatzwiese (39.37246, 8.38208), die Platz für mindestens 100 WOMOs bietet und im Sommer gewiss voll belegt ist. Ich mag’s mir gar nicht vorstellen. Durch einen Felstunnel gelangt man übrigens in eine versteckte Badebucht. Aber keine Bar, kein Restaurant. Darum den Berg hinauf und linker Hand auf den Parkplatz mit Schautafeln, Maschinenresten und einem perfekten Blick auf die „vergessene“ Ortschaft Buggeru. Sie mag ja im Sommer voll sein, aber - in ein ehemaliges Bachbett gezwängt - und durch die vielen hinterlassenen Überbleibsel der Bergwerke - wirkt sie düster und dunkel.
Zur Grundstimmung trägt auch der beginnende Scirocco bei, der, als eine Art Föhn vom Gennargentu-Massiv kommend, trocken und heiß (30° C) mit Böen weit über 100 km/h am WOMO rüttelnd, dann feuchter werdend und am dritten Tag nieselnd, staubig mit grauem Sahara-Sand und schwermütig die Stimmung dämpfend, einhergeht.
Aber es ist ja ein Wasserschlauch vorhanden auf dem übrigens toll positionierten Stellplatz. Der private Betreiber hat die Saison wegen Reichtums beendet, jetzt kassiert die Gemeinde Buggeru und will 15 €, komplett mit WC und Entsorgung, aber ich kann dem Eintreiber klarmachen, dass 10 € auch reichen, da WC und Entsorgung zu sind – findet er dann auch angemessen und ändert das Preisschild.
Eine wunderschöne Mountain-Bike Strecke führt über das Gebirge ostwärts zum Tempel von Antas, ca. 16 Kilometer und rauf geht’s bis 640 m, sogar geteert bis fast ganz oben. Zurück über die relativ flache, aber kurvige Strada Provinciale sind’s dann fast 30 km. Eine lohnende Tour. Vom Tempel Antas könnte man, nachdem man das Areal besichtigt hat, weitere 14 km zur Grotta di San Giovanni radeln.
Früher durfte man die einen Kilometer lange Tropfsteinhöhle mit dem WOMO befahren, heute nicht mehr. Davon werden die schwarzen Stalaktiten und Stalagmiten leider auch nicht wieder weiß. Das wäre übrigens ein toller 400 € Job: Tropfstein-Entschwärzer! Aber vielleicht ist es besser, man teilt sich diese Mammut-Tour auf und fährt mit dem WOMO nach Domusnovas und besichtigt die Höhle von der anderen Seite. Mit dem Bike darf man selbstverständlich durch, genauso wie zu Fuß.
Ein Besuch am Capo Pecaro zeigt, dass sich hier nichts geändert hat. Die Stichstraße endet ohne Wendeplatte, alle Abfahrten sind mit großen Felsen blockiert, aber eine Möglichkeit gibt’s immer aufs Plateau zu fahren und dort zu übernachten. Ich bin sicher, dass die Steine nicht von WOMO-Fahrern entfernt wurden und werden: die Sarden gehen einfach dort auch zum Baden und Angeln!
Die Costa Verde wartet, der südliche Teil, die Spiaggia Scivu! Auf dem Pass von Portixeddu kommend stehen immer noch verlassene Gehöfte und Häuser. Die Straße windet sich endlos hinab. Aufpassen, dass man nicht wie Laber-Tasche-Schulz im Gefängnis von Bau Gennamari landet, muss man nicht: zu deutlich sind die „Einfahrt verboten“-Schilder. Früher waren die Gebäude eine Strafkolonie und die Insassen mussten in den Bergwerken schuften, heute dienen sie nur noch als Gefängnis.
Der Seegang ist zu stark zum Schwimmen und es zieht gefährlich nach draußen, also lasse ich’s, genieße den Sonnenuntergang und eine halbe Flasche Cannonau. Am nächsten Tag suche ich den Ausgangspunkt für den Aufstieg zum Monte Arcuentu. Bei einer Brücke auf der Straße von Montevecchio nach Porto Palma (39.58285, 8.53405) werde ich fündig.
Dreieinhalb Stunden hin und zurück, ein lohnender Berg mit überragender Aussicht – so steht es geschrieben. Die Luft ist voller Gewitter, zu gefährlich für diesen „Eisenberg“. Man muss ja auch noch was übriglassen! Dafür erkunde ich die Bucht Torre dei Corsari, dieses Mal von der anderen Seite her, vom Ort Pistis. Kann man auch prima stehen, die Dünen und die Wellen genießen und den Surfern zuschauen.
Der Weiterweg führt wieder über die eigentlich gesperrte Deichbrücke ins schachbrettartig angelegte Arborea, da, wo die vielen „Milchbarone“ mit ihren Villen protzen, Hunderte von Kühen im Stall stehen haben, die Grundwasser getränkten Wiesen mit Kunstdünger voll blasen und ich weiß nicht, wo sie die Hinterlassenschaften ihrer Viecher entsorgen. Wird wohl irgendwo eine Methangas-Anlage geben. Zu riechen ist jedenfalls – außer Kunstdünger – nichts. Nur am völlig verwahrlosten Stadtstrand: da stinkt’s nach Müll, aber gewaltig. Und das Wasser ist braun und voller Poseidon-Gras, was ja eher positiv ist, weil es vielen kleinen und größeren Fischen wie Seepferdchen, Seenadeln und Büschelbarschen Schutz bietet. Aber zum Schwimmen taugt es nicht. Genauso wenig wie am Strand von Oristano. Immerhin bekomme ich getrockneten Bottarga, das ist Rogen von den Meeräschen (muggine), die hier fast schon gezüchtet werden. Eine absolute Spezialität!
„Spaghetti alla Bottarga“
Olivenöl erwärmen, Bottarga-Pulver einrühren, Bottarga-Rogen ganz fein schneiden, Pfeffer und Salz dazu, die „al dente“ gekochten Spaghetti untermischen und noch etwas Pulver darüber streuen: ein Gedicht!
Etwas besser sieht’s am „Lungomare“ von Cabras aus: viele freie Plätze (39.90778, 8.52028)! Marina di Torre Grande heißt der Ort offiziell. Und ein paar Restaurants sind auch offen! Dazu gibt es im nahen Cabras das Museo Civico mit nett arrangierten Funden aus der nahe gelegenen phönizisch-römischen Stadt Tharros und aus der Nekropole Cuccuru is Arrius. Besonders attraktiv: ein 1980 entdecktes römisches Schiff mit einer großen Ladung Bleibarren, das vor der Halbinsel Sinis, bei der Isola Mal di Ventre gesunken ist. Jeder Bleibarren wog 33 Kilogramm und war exakt gestempelt.
Das Highlight des Museums aber sind seit 2 Jahren die „Giganten vom Mont’e Prama. Die bis zu zweieinhalb Meter hohen Steinfiguren aus der Nuraghenzeit wurden in der Nähe vom Stagno di Cabras (stagno = Brackwasser) entdeckt. Sie ähneln den kleinen Bronzefiguren der Nuraghier und sind sicher die bedeutendsten Funde aus dieser Zeit. Sonst haben die Nuraghier außer den Nuraghen (konische Rund-Türme), Rundhütten und Grabstätten (Domus de Janas) nichts hinterlassen. Ein paar Figuren sind ausgestellt, insgesamt wurden über die 40 gefunden. Besonders attraktiv: Eine Figur hat Augen mit 2 Kreisen. Herr von Däniken: Außerirdische? Oder erste Brillen?
Jetzt aber schnell zum „Reiskornstrand“ bei Is Arutas und Mari Ermi. Klein geschliffene, weiße Quarzsand-Körner, die wegen ihrer glasartigen Oberfläche in der Sonne „gleißen“, sind die Attraktion dieser Strände. Drei Brüder, die sich nicht mehr „Eins“ sind, haben irgendwie die Erlaubnis erhalten, jeweils ein Areal von 1,5 Hektar den sanften Hang herab bis zu den „Reiskörnern“ als „Agrocamp“ anzubieten. Perfekt für einige faule Tage ohne Wind mit fantastischen Sonnenuntergängen.
Und ganz faul war ich ja auch nicht:
Bike geputzt, geölt und am Strand entlang nach Tharros gefahren, ein paar Blicke über den Zaun ins Ausgrabungsfeld geworfen, Cappuccino im Trubel von San Giovanni getrunken, den wahrscheinlich ältesten Sakralbau Sardiniens aus dem 5. Jahrhundert besichtigt, dem Wallfahrtsort San Salvatore einen Besuch abgestattet, nicht als Pilgerfan, sondern weil dort in den Sechzigern des letzten Jahrtausends viele Szenen für den Western „Für eine Handvoll Dollar“ mit Clint Eastwood gedreht wurden und wieder auf der Teerstraße zurück geradelt: 4 Stunden, na also, Faulheit verdient.
Es hat zwar angeblich seit acht Monaten nicht mehr richtig geregnet auf Sardinien (bestätigen kann ich bis jetzt eineinhalb Monate), trotzdem gibt es jede Menge lästiger Mücken, wohl der Preis für das außergewöhnlich schöne und warme Wetter.
Gestern schreibe ich übers schöne Wetter, schon zieht es zu, und ein paar Tropfen fallen. Ade „Reiskörner“ (ein paar haben sich in eine Flasche geschlichen und im WOMO versteckt, obwohl das bei „Höchststrafe“ verboten ist), aber was will man machen? Genug Zeit für einen Abstecher ins entlegene Putzu Idu zur versteckten Bucht von Su Pallosu (40.04301, 8.39613), wo ich mir vor zwanzig Jahren meine Nase ramponiert habe. Still und verlassen liegt alles da, als wäre ich erst gestern da gewesen.
Zum nächsten Ziel, der Stadt Bosa, mache ich einen Umweg zum Brunnenheiligtum von Santa Cristina (40.06153, 8.73092). Diese bedeutende archäologische Ausgrabung und uralte Kultstätte liegt direkt neben der Superstrada: „Glücklicher Karl“ („SS Carlo Felice“ – zweispurig ausgebaute Schnellstraße von Cagliari nach Sassari mit Abzweigung über Nuoro nach Olbia). Der Namensgeber, Sardinien-Minister und später sogar König, agierte überhaupt nicht glücklich als er 1820 jedem Einwohner Sardiniens gestattete, sein gerade bewirtschaftetes Land einzuzäunen und damit zu seinem Besitz zu machen. Was für eine Steilvorlage für Großgrundbesitzer und Feudalherren, die in der Lage waren, das in kürzester Zeit umzusetzen. "Stante pede" war ganz Sardinien von einem Netz von Steinmäuerchen (tancas) überzogen.
Die vorher gemeinschaftlich genutzten Ländereien der Dorfgemeinschaften, die abwechselnd den Bauern als Ackerland und den Hirten (pastori) als Weideflächen jährlich vermietet wurden, gehörten jetzt denen, die sowieso schon vermögend waren. Natürlich verlangten die neuen Besitzer empfindliche Abgaben. In dieser Tatsache liegt wohl die entscheidende Grundlage für die Entstehung des „Banditismo“ begründet, denn viele Schaf- und Ziegenhirten konnten sich und die ihren nur noch mittels Viehdiebstählen und Überfällen am Leben erhalten. Ein zehnjähriger Bürgerkrieg, den die Hirten verloren, war die Folge – das Banditenwesen setzte sich bis in jüngste Zeit fort.
Jetzt aber zum Brunnenheiligtum: ungefähr 3000 Jahre ist es alt, hat einen trapezförmig gemauerten Eingang, der mit 25 steilen Treppen ca. sieben Meter in die Tiefe führt. Ein geometrisches Meisterwerk, die fugengenau, fein säuberlich abgeschrägten, aneinandergesetzten Basaltquader. Unten eine kreisrunde Brunnenkuppel, die sich zu einem Lichtloch an der Spitze verjüngt. Dazu scheint bei Tag- und Nachtgleiche im März und September die Sonne über die Treppe auf den Grund des Brunnens. Und Experten haben berechnet, dass der Vollmond alle 18 Jahre und 6 Monate zwischen Ende Dezember und Anfang Januar das gleiche macht, jedoch nur, wenn das Sternensystem Alpha Centauri in einer bestimmten Position steht! WOW - Stargate!
Immer deutlicher wird, dass wir die wissenschaftlichen Kenntnisse und die technischen Fähig- und Fertigkeiten der Menschen jener Zeiten völlig falsch einschätzen bzw. unterschätzen! Neben dem Brunnenheiligtum „verblassen“ die Ruinen eines Nuraghendorfes und die Pilgerkirche mit den niedrigen Pilgerzellen ein wenig.
Die katholische Kirche hat jedenfalls immer gewusst, wo sie sich breitmachen muss, um die Menschen zu Gläubigen zu machen - auf jeden Fall ist dieser Ort magisch und mystisch zugleich – man spürt das!
Bei der Weiterfahrt über den Montiferru, an Santa Lussurgiu vorbei, verpasse ich meinen angepeilten Schlafplatz bei San Leonardo de Siete Fuentes (spanisch!) und damit auch das Auffüllen des Wassertanks. Dafür werde ich mit einer Fahrt durch eines der dichtesten Waldgebiete Sardiniens belohnt. Auf fast 900 Metern Höhe bieten sich grandiose Aussichten: als Wandergebiet vorgemerkt! Außerdem weiden hier in freier Wildbahn die sogenannten „Bue Rossi“, Rinder mit rotbraunem Fell, ähnlich den schottischen Hochland-Rindern, aber ohne deren lange Hörner.
Nach Cuglieri finde ich im Wohnmobil-Tourguide von Peter Höh, erschienen im Reise Know-How Verlag, Bielefeld die Sorgenti di Sant’Antioco, wo ich bestes Quellwasser tanke.
Bei dieser Gelegenheit darf ich den Autor des WOMO-Guides, Peter Höh, mal richtig loben: er hat ein fast perfektes WOMO-Buch über Sardinien geschrieben. Alles Wichtige ist enthalten außer den „freien“ Stellplätzen, die man sowieso lieber selbst entdeckt und die eh‘ mehr und mehr verschwinden und in den Sommermonaten „überquellen“. Zusammen mit Eberhard Fohrers „Sardinien“ aus dem Michael Müller Verlag ist man komplett gerüstet.
Interessanterweise hat sich heuer durch das Ausfallen klassischer Urlaubsländer wie Türkei und Ägypten viel Tourismus auch nach Sardinien verlagert. Die Hotels und Ferienwohnungen sind bis Mitte Oktober belegt und es „touren“ immer noch (Ende Oktober!) viele WOMOs mit deutschen und schweizerischen Kennzeichen herum. Trotzdem: Platz ist genug, im Landesinneren sowieso!
Die Fahrt runter zum Küstenort Bosa bietet wunderschöne Ausblicke, vor allem im letzten Teil: Bosa ist ein Highlight! Die verschachtelten, farbigen Häuser, die sich pittoresk an den Burgberg anschmiegen, sind sehenswert! Ein guter Stellplatz am linken Temo-Ufer (40.29482, 8.49932), gleich an der Fußgängerbrücke hinüber zur Altstadt, lädt zum Übernachten ein, auch wenn Busfahrer das auch wissen und dort ihre „Ware“ wieder in Empfang nehmen. Im knapp 200 Meter entfernten Lokal „Gambero Rosso“ habe ich hervorragend gegessen.
Dann wird’s eng mit Badeplätzen. Den wunderschönen Stell-/Campingplatz ein paar Kilometer weiter auf dem Weg nach Alghero mag ich nicht, weil unverschämter Betreiber, und die zwei weiteren, früher zugänglichen Plätze, sind nicht mehr anfahrbar. Algheros schöne Altstadt, die ja gegen Kriegsende ziemlich zerbombt wurde, lasse ich links liegen und finde zufällig am „Spiagga Lazaretto“ ein tolles Plätzchen direkt am Meer mit zwei Bars (40.58285, 8.24641). Sogar zum Essen gibt’s was, und ich trau mich auch zum Schwimmen ins Meer, wenn es auch inzwischen kühler geworden ist (22 Grad C)!
Aber das Capo Caccia muss noch mal angeschaut werden: nostalgisch denke ich zurück, wie wir alle zusammen vor über 20 Jahren eine heiße Nacht mit viel Wein und Gitarre dort verbrachten, am nächsten Tag die vielen Treppen hinuntergingen und uns über die Touristen lustig machten, die von den Booten auf schwankenden Planken in die Neptungrotte „geschleift“ wurden. Heute noch genauso lustig wie früher.
Am Wasserstand des Lago Baratz, des einzigen „echten“ Sees Sardiniens, merkt man, dass es lange nicht geregnet hat. Zur Not könnte man dort auch, aber nein: es herrscht ja schon tagsüber der übliche „Italiener-Verkehr“: mit Vollgas bis zum Ende, umdrehen, und wieder zurück. Wird wohl „nächtens“ nicht anders sein?
Ich bin ein Fan der Bucht von Porto Palmas, einem Frei-Steh‘-Paradies, kurz vor Argentiera, auch wenn die Wellen wieder hochschlagen und Schwimmen nicht möglich ist. Aber die salzige Meeresluft tut so gut!
Wie immer vermeide ich das nordwestlichste Ende Sardiniens – Stintino – Hab‘ wohl früher keine guten Erfahrungen gemacht. Obwohl, man kann ja jetzt von dort rüber auf die ehemalige Sträflingsinsel Asinara, die mit den wilden, weißen Eseln – vielleicht ein andermal!
Bevor ich wieder zu zweit bin, will ich lieber den Norden genauer erkunden. Um diese Zeit sollte das – auch in dieser äußerst WOMO-feindlichen Gegend – möglich sein. Die freien Plätze auf dem Weg von Porto Torres nach Castelsardo sind noch da. „Dicesa 6“ (40.825246, 8.535748) bietet sich prima an für eine Übernachtung. Die kurze Zufahrt vom Sande verweht, aber dann kann man direkt – auf Teer! – am Wasser stehen. Eine der zwei Bars hat noch offen und der Cappuccino für 1,20 € schmeckt perfekt. Zwei Hunde wollen auch mit mir mitfahren, aber ich bin eisern, auch wenn’s schwerfällt. Dieses Mal schau‘ ich mich in Castelsardo genauer um!
Sie haben einen praktischen Parkplatz für WOMOs und Busse, etwas außer- bzw. oberhalb der Stadt Richtung Norden gebaut, aber ich finde jetzt auch in der Stadt genügend Möglichkeiten.
Tja, Castelsardo hat was von Cefalu (Sizilien). Wie Bosa schmiegt sich die Altstadt an einen Burgberg, man muss ein wenig raufklettern – nicht wie in Cefalu, wo sich alles unten abspielt, aber die verwinkelten Gassen sind einfach ähnlich. Man schmeckt die salzige Meeresluft und registriert auch die gesalzenen Preise der Trattorie, Ristoranti und Spaghetterie, die um diese Zeit mühsam um Mittagsgäste werben, solange, bis ich schwach werde und mir „gnocchette alla sarde“ gönne. Was zur Folge hat, dass das „Suppen-“, sprich „Gnocchi-Koma“ zuschlägt – Mittagessen bin ich ja gar nicht gewöhnt – und bei der Weiterfahrt fast den „Elefanten von Castelsardo“ übersehe. Das ist ein drei Meter hoher Trachyt-Fels – rot gefärbt -, der im Laufe der Jahrtausende durch Verwitterung die Gestalt eines Elefanten annahm. Im Inneren sieht man prähistorische Grabkammern aus der Ozieri-Kultur. Wenn der Fels nicht von selbst so verwittert ist und stattdessen einheimische „Steinmetze“ Hand angelegt haben sollten, dann haben sie ihre Sache jedenfalls gut gemacht!
Ich brauch jetzt Ruhe – heute ist der erste „kühle“ Tag mit nur 19 °C – und finde dank WOMO-Führer einen Stellplatz bei Punto Maragnani (40.92050, 8.79223), der tatsächlich noch offen hat. Schön langsam stellen sich die Sarden auf die veränderten Verhältnisse ein, die meisten Campingplätze haben nämlich schon zu. 20 Meter über dem Meer steht das WOMO gut gesichert direkt am Abgrund, links grüßt Castelsardo im Westen, vor mir kann ich Korsika sehen und recht das Gebiet von „Isola Rossa“, wo die etwas mehr Begüterten ihre Plätze haben. Aber das werde ich bald kennenlernen. Auf jeden Fall ist es nun Mitternacht, die Flasche Wein fast leer, die Tippfehler werden mehr – aber mein Tagebuch ist wieder up-to-date!
Der Stellplatz Oasi Gallura (41.12571, 9.06339) hat auch zu, schade, denn die Bucht mit dem kilometerlangen Sandstrand ist super. Also auf zum Strand von Rena Maiore, einem weiteren Highlight in Sachen pittoresken Buchten. Viele Surfer und Kiter haben sich bereits „eingegraben“, leider gibt’s für sie nichts zu holen: kaum Wind und nur leichte Dünung. Ein Rudel Franzosen mit betagten „Nasenbären“ (WOMOs mit Alkoven) hat sich italienermäßig zu einer Wagenburg aufgebaut. Feindliche Indianer hätten kaum Chancen. Auch sonst sind sie professionell ausgestattet: mit Spezialschlüsseln öffnen sie den Kanal-Deckel und die Wasserleitung der schon verschlossenen Versorgungseinrichtungen. Müssen wohl öfter von Korsika rüberkommen, ist ja nicht weit!
Das WOMO-feindliche St. Teresa di Gallura bleibt links liegen, in Palau ist der Camping Baia Saraceno (41.17930, 9.39328) noch offen. Ideal für Bike-Touren zum „Bären“ von Palau am Capo d’Orso (leider kann man ihn nicht mehr „beklettern“, Eintritt muss man auch bezahlen), oder rüber nach La Maddalena mit der Fähre von Palau aus, halbstündlich. In 3 Stunden hat man die Insel erkundet. Nimmt man Caprera, das mit La Maddalena durch einen Damm verbunden ist, dazu, ist man schon den ganzen Tag unterwegs. Das Haus von Garibaldi, dem italienischen Nationalhelden und Berufsrevolutionär ist für die Italiener ein Heiliger Gral und dementsprechend überlaufen. Muss man dort gewesen sein: Vorgänger von Che Guevara, hallo!
Die weiteren Inseln, vor allem die Isola Budelli mit ihrem rosaroten Korallenstrand dürfen nicht oder nicht mehr betreten werden – siehe „Reiskornstrand,“ aber da darf man ja noch! Auch das Inland bietet interessante Touren ohne nennenswerte Besonderheiten, gerade dadurch haben sie ihren Reiz. Tja, und so werde ich hier meine Zeit aussitzen, denn am Samstag bekomme ich Besuch für 9 Tage und danach, mal sehen!
Fazit:
Sardinien ist immer noch Trauminsel Nummer Eins im Mittelmeer. Die Bautätigkeit konnte kontrolliert werden. Das meiste „ballt“ sich von Olbia südwärts bis La Caletta und die mehr Begüterten sind an der Costa Smeralda sowie in einigen Feriensiedlungen bei der Isola Rossa und im Norden unter sich. Viel, viel Platz für WOMOs, mit einer Einschränkung: Nicht im Juli oder August! Parkgebühren – das ist für mich neu – werden von Juni bis Mitte, manchmal sogar Ende September auf Strandparkplätzen verlangt, sofern wichtige Urlaubszentren in der Nähe sind.
Im Inland ist man fast immer allein. Eine zauberhafte Landschaft, vor allem im Gennargentu, in der Barbagia und auf den drei Sierras, den Tafelbergen. Im Westen dämmern die verlassenen Bergwerke vor sich hin und freuen sich auf Besuch; Mineralien, so man Fan ist, kann man dort immer „schürfen“, manchmal glaubt man sich in den „Wilden Westen“ Amerikas versetzt. Die Preise in den Trattorie – sofern nicht zu nah an Urlaubszentren – sind preislich normal angesiedelt. An der Küste dominieren italienische Lokale mit Fischgerichten, wobei die „Orata“ nicht mehr „wild „gefangen wird, sondern aus Zuchtstationen stammt, aber dennoch gut schmeckt. Im Landesinneren gibt es die typisch fleischlastige, sardische Küche. „Porcheddu“ (Spanferkel vom Spieß) muss man einfach mal probiert haben.
Wer kann, sollte Mai/Juni oder ab Mitte September bis Ende November nach Sardinien reisen. Juli und August sind „tabu“! Die Fährpreise von Livorno oder Piombino (nur bis 18. September) haben sich auch normalisiert: 90 € (WOMO + Fahrer) ist der Normaltarif. Zum gleichen Preis kommt man auch von Cagliari nach Palermo in Sizilien. Also, auf geht’s!